„100 Jahre unterwegs“ – Etappe 3 – Bernburg > Hohenwarthe (93 km)

Ui, was für ein langer Tag. Ohne Plan und mit Etappen-Ausbau. Aber, wie gehabt von vorne.

 

Nach einer mäßig guten Nacht (die Matratzen…) trafen wir uns pünktlich um 8 Uhr am Frühstückstisch. Dieses war – naja – wie erwartet. Satt sind wir trotz allem geworden und für mich gab es glücklicherweise genug Kaffee.

 

Schnell saßen wir wieder auf den Rädern und raus aus der Stadt – Bernburg glänzte als erste Stadt mit ausreichend Beschilderung und guten, separat geführten Radwegen. So kamen wir zügig voran. Ziel war Magdeburg, gemütliche 73 Kilometer. Ein Klacks. Entspannt ging es weiter, perfekte Wege (scheinbar frisch erneuert) an der morgendlichen Saale lang.

 

 

Nach einigen Kilometern gönnten wir uns schon die erste kurze Pause, getrieben von der Neugier was sich hinter den Hügeln verbirgt und voller Bewunderung ob der schönen Aussicht auf die Saale. Schnell fanden wir heraus, dass es sich bei den seltsam anmutenden Becken um die Kalkteiche, bzw. die Spülkippe der Solvay Soda Werke handelte.

 

Zügig ging es weiter. Der Weg war schnell zu fahren, Hügel gehörten der Vergangenheit an und wir rauschten schwungvoll zwischen riesigen Feldern hindurch. Weit und breit kein Mensch, nur die Raubvögel leisteten uns gelegentlich Gesellschaft. Es lief Prima.

 

 

 

Wir ließen schon bald Calbe auf der anderen Saale-Seite hinter uns, fluchten kurz über ein kleines Stück Kopfsteinpflaster, um dann eine gemütliche Pause am Deich einzulegen, für einen letzten ausgiebigen Blick auf die Saale.

Kaum, dass wir uns versahen, erreichten wir auch schon die Gierfähre in Groß Rosenburg. Diese war etwas teurer als die letzte Fähre, 1,50 € pro Person waren fällig. Für eine nur 1 minütige Überfahrt.

Rasch ging es weiter in Richtung Barby, der Weg nach wie vor ein Genuss. Barby war dementsprechend schnell erreicht. Unser Versuch hier Kaffee zu trinken scheiterte an den Öffnungszeiten des einzigen Cafés im Ort. Trotzdem, super schönes Städtchen. Und Hammer, an so ziemlich jedem Haus: Fahrradständer. Nicht so blöde Popeldinger, in die man sein Vorderrad reinquetschen soll und sich im Zweifel das Rad ruiniert, nein, überall perfekte Anlehnbügelständer, an denen man auch den Rahmen anschließen kann. Top.

 

 

 

Nach dem gescheiterten Versuch einen Kaffee zu trinken nun also doch gleich Elbe. Rasch zur Fähre. Wieder eine Gierfähre, aber diesmal in groß. Immerhin musste die deutlich breitere Elbe gequert werden. Da wir erst einem vorbeiziehenden Frachter Vorfahrt gewähren mussten, genossen wir 10 Minuten die Sonne (T-Shirt Wetter!). Elbaufwärts konnten wir die Saale-Mündung erahnen.

Und da waren wir auch schon. Elberadweg. Sogleich ging es rasch weiter, optimaler Weg, traumhafte (flache) Landschaft, Sonne – die Laune war bestens. Die fehlende Pause in Barby ersetzten wir mit einem Picknick am Elbe-Strand. Die Ruhe – himmlisch. Der Picknickplatz beherbergte früher einen Hof (Die Lübser Hoplake), später ein Ferienheim. Nun nur noch Schutzhütten. Es muss zauberhaft gewesen sein, hier zu wohnen – bis auf das Hochwasser ;) Schutzhütten und Infotafel zeigten schnell, dass der Elberadweg doch deutlich besser ausgebaut ist, als der Saaleradweg.

 

Gestärkt und fröhlich ging es weiter. Und juchuu, Baustelle! In Ermangelung von Schildern und geprägt von unseren vorherigen Erfahrungen umfuhren wir einfach das Sperrschild und suchten uns unseren Weg durch die Baumaßnahmen. Mit Erfolg.

 

 

 

 

 

Schon hatten wir das Dorf Dornburg erreicht. Das eher unscheinbare, kleine verlorene Dorf barg einen wahren Schatz. Plötzlich tauchte vor uns das unfassbar schöne Schloss auf. Das barocke Zaren-Schloss Dornburg, in einem desaströsen Zustand und leider nur durch einen Zaun zu bewundern. Drumherum das leerstehende Gehöft. Hat jemand mal 10-20 Millionen für mich? Ich bin verliebt.

Weiter ging es. Bald schon hatten wir das Pretziener Wehr erreicht. Immerhin Goldmedaillengewinner einer Weltausstellung ;)
Direkt dort ging es endlich auf den Deich. Ein bisschen Huddelei brachte es mit sich, so kannte mein Kartenmaterial auf dem Handy die Strecke nicht, und Unsicherheit machte sich breit. Die Entscheidung fiel aber zugunsten von Schildern und Papier-Karte. An einem Seitenarm der Elbe, bzw an der alten Elbe düsten wir dahin.

Und ja, nicht nur Hagen sondern auch ich sitze stets auf dem Rad.

Weiter ging es auf dem Elbdeich. Endlich verstanden wir auch, warum die meisten Leute Elb-aufwärts fahren. Auch wenn kaum vorhanden, der Gegenwind war spürbar. Belohnt aber wurden wir von traumhaften Ausblicken auf Elbwiesen und Elbe

Der Kaffee-Durst war immer noch nicht gestillt und weit und breit kein Ort zur Einkehr. Schönebeck lag „links-elbig“ – für uns blieb nur der Deich.

Plötzlich Häuser. Erstaunlicherweise hatten wir unser (ursprüngliches) Tageszielschon fast erreicht. Ein Blick auf die Karte bestätigte, das ist schon Magdeburg. Die Aussicht auf Stadt, Krach und Trouble begeisterte uns weniger. Also endlich Kaffee und einen neuen Plan machen. Vor unseren Augen erhob sich plötzlich eine kleine, scheinbar alte Kirche. Andere Radler riefen uns freudig zu, dass es den Kaffee in eben jener gäbe. Hurra. Und nicht nur das, auch Crème brûlée gab es zu meiner Freude :D

 

Nachdem wir uns gestärkt hatten, war für uns klar – Magdeburg auf keinen Fall. Wir hatten vom gestrigen Tag wahrlich genug von Städten. Also rauf aufs Rad und versuchen möglichst schnell durchzukommen. Wie erwartet war es furchtbar. Beschilderung nicht ausreichend, Menschen ohne Ende (es fand zu allem Überfluss ein großer Oktoberfest-Ableger statt) und das Flugzeug mit AfDoof-Werbung, welches Kreise über der Stadt zog, gab mir den Rest. Dank ein paar freundlichen Damen, die uns die Richtung wiesen, fanden wir den Weg heraus aus der Stadt. Elb-abwärts war der Plan. Eine Unterkunft finden. Denn ab heute hatten wir nichts im Voraus gebucht und zählten auf eines der vielen „Zimmer frei“ Schilder. Nur war da keins. Es war inzwischen nach 18 Uhr, der Weg wunderschön, die Abendsonne kaum noch warm. Und wir ohne Quartier im nirgendwo.

 

Was blieb uns, außer weiter zu fahren? Der Weg wollte nicht enden. Plötzlich war sie da, die große Brücke – Wasser über Wasser. Wir hatten den Mittellandkanal erreicht! Und damit den Ort Hohenwarthe.

 

 

 

 

 

Geplant hatten wir für heute eigentlich einen Entlastungstag mit gemütlichen 73 km, das Tracking verriet uns, dass wir bisher aber bereits 95 Kilometer hinter uns hatten. Ui. Touren-Rekord. Aber man merkt auch deutlich, was gut ausgebaute Wege möglich machen.
Müde waren wir trotzdem – ein Platz zum Schlafen fehlte noch. Ein verheißungsvolles Schild wies uns den Weg zur Pension „Unser Paradies“ – wir fühlten uns prompt angesprochen. Schnell war das Ziel gefunden, wir standen vor einem großen Tor im Wald. Nachdem wir klingelten, kam sogleich die super freundliche Wirtin – überrascht ob der späten Gäste, sowohl was Tageszeit als auch Jahreszeit betraf. Sofort war eine der kleinen, aber lieblichen Holzhütten für uns bereit, ausgestattet mit allem was man braucht – inklusive zusätzlicher Decken für die kühle Nacht.

 

Wir waren froh – zum vollständigen Glück fehlte uns nur noch ein Abendessen. Auch das war kein Problem. Obwohl wir weit und breit die einzigen Gäste waren, konnten wir uns etwas von der kleinen Karte aussuchen, was uns sogleich frisch zubereitet wurde. Mit direktem Platz an der Elbe gab es Essen und eine nette Unterhaltung mit den Inhabern dazu. Besonders beeindruckt waren wir von den Hochwasser-Geschichten und Bildern.

Nun sind wir reif fürs Bett – ich freu mich jetzt schon aufs Frühstück – und bin gespannt wie die morgige Etappe sein wird. Denn dem ursprünglichen Plan sind wir inzwischen rund 20 Kilometer voraus :D